Schreibhemmung und Umzug in meiner Kolumne für den Juni
Veröffentlicht am: Juni 19, 2017
Ein fröhliches Aloha liebe Leser,
seit sich der doofe Krebs vorerst einmal verabschiedet hat, bin ich fieberhaft auf der Suche, nach einer neuen Idee für diese Kolumne. Diesen Monat fielen mir diese eineinhalb Deutsche-Industrie-Norm A4 (DIN A4) Seiten so schwer wie selten zuvor. Beinahe jeden Gedanken für diese paar Zeilen, habe ich in den letzten zwei Wochen verworfen und mich neu auf die Suche gemacht. Es fällt mir tatsächlich nicht leicht, von der durchaus sehr offenen Privatheit, die ich mit Ihnen werte Leser geteilt habe, in eine wie auch immer geartete leichtere Kost zu überführen. Zum einen, habe ich die Befürchtung mit meinem nun zurückgewonnenen, sehr öden Leben zu langweilen, zum anderen wollte ich aber nicht, in die mir zu platt erscheinenden Schimpftriaden der Vergangen Kolumnen zurückgehen. Nun bin ich also wieder weit über dem Abgabetermin und hab noch kein Konzept, wohin ich mein Mitteilungsbedürfnis lenken will. Ich könnte, da meine Frau eben so ist, wie sie ist, den Mario Barth machen und Anekdoten über sie zum Besten geben. Mit all den Missverständnissen, die eine Frau-Mann-Beziehung eben so mit sich bringt. Gerade weil meine Gattin mitten in ihrer Prüfungsphase steckt und ihr der selbstgemachte Stress durch jede Pore dringt, wäre die verstörende Beschreibung meines Leides locker ausreichend für zwei bis drei Kolumnen. Das hatte ich jedoch schon öfters gemacht und nun bekomme ich leider moralische Bedenken, die mich daran hindern. Ich kann nur soviel sagen, dass diese Phase unserer Beziehung eine echte Prüfung ist, in einer nicht gerade prüfungsarmen Zeit. Dieses ergiebige Thema ist nun also plötzlich aus meinem Kolumnen Repertoir rausgefallen. Dieses blöde schlechte Gewissen. Also muss ich mir ein neues Thema suchen und als passionierter Radfahrer wollte ich über die Gut-Wetter-Radler berichten, die einem den ganzen Winter nicht auf der Straße belästigen, nun aber geballt und ohne Sinn und Verstand für andere Verkehrsteilnehmer oder Verkehrsregeln die Straßen dieser Stadt unsicher machen. Aber die hatte ich ja schon in der Vergangenheit aufs Korn genommen und etwas Neues, außer meinen Hass, kann ich nicht beisteuern. Bei politischen Themen bin ich gerade sehr ratlos. Zum einen finde ich es wahnsinnig interessant, wie die politischen Systeme durch den Wählerwillen an den Rand ihrer Funktionsweise getrieben werden. Ob das nun der Brexit, Türkei, Rechtsruck, Ungarn, die EU oder und vor allem der gute Donald aus den USA ist. Zum anderen habe ich das Gefühl, dass alles immer mehr aus dem Lot gerät. Leider fallen mir dazu keine klugen Gedanken ein und ich finde mich als stauenderer Beobachter wieder, der erstmal sprachlos versucht sich einen Eindruck von dem Quatsch zu machen. Vielleicht blockieren auch meine Emotionen, über die Abschiebung nach Afgahnistan von mir liebgewonnenen Menschen auf Arbeit und die Erkenntnis, dass das mal echt scheiße ist, meinen Redeschwall.
Kurz und gut, mir fällt nichts von Bedeutung ein und so bleibe ich, wie der Deutsche das schon immer macht, wenn um ihn herum die Hölle los bricht, nur wieder der Rückzug ins Private. Biedermann und Brandstifter gehören nunmal zusammen.
Bei jeder Kolumne versuche ich ja auch immer was Humoristisches aus der Erlebniskiste zum Besten zu geben und da meine Gattin und ich im Juni in den Stühlinger ziehen werden, ist es dieses Mal nochmal was Privates. So ein Umzug ist aus der Vogelperspektive, ein an sich sehr klarer und einfacher Prozess. Mann muss Dinge von Ort A zu Ort B transportieren, vorher muss natürlich an Ort A gepackt und dann an Ort B ausgepackt werden. Nur gestaltet sich dies, wenn einem die Fähigkeit zu fliegen fehlt als ein wahnsinnig komplexes Unterfangen, bei dem schon Freundschaften zerbrochen sind. Denn mit packen ist es in der Regel nicht getan, denn ein Umzug wird auch immer mit einem Neuanfang emotionalisiert. Und ab da fangen die Probleme an. Klar gibt es auch die Umzüge, bei denen man als Muli beteiligt ist und von dem Drama zuvor nichts mitbekommt. Wobei auch dieses einfache Unterfangen, jemanden bei einem Umzug zu helfen einen in Tiefe Krisen stürzen kann. Ich habe übrigens eine heimliche TopTen der schlechtesten Umzüge, bei denen ich Helfer war. Nur dass dies nicht falsch verstanden wird, ich mache gerne den Sherpa und mag Umzüge. Mir ist es auch schon passiert, das war in Leipzig, dass eine mir nur vom sehen her bekannte Person mich auf Arbeit ansprach und fragte, was ich denn am nächsten Samstag so vor hätte. Da ich, auch von der Frage überrascht und mit harmlosem Gemüt ausgestattet bin, sagte ich „Nichts“. Sie: „Könntest du mir beim Umzug helfen?“ Da ich ja nicht so gut im NEIN sagen bin, sagte ich spontan „Ja“ und war auch der Einzige, der am kommenden Samstag pünktlich vor der fremden Wohnung stand. Und klar, habe ich auch schon Freunde beim Umzug verschlissen und schäme mich bis heute wegen der chaotischen Umstände, die ich verursacht habe. Darum ist aus rein relativistischen Gründen mir meine TopTen Liste so wichtig, denn in der tauche ich nicht als Verursacher auf. Schlimmer geht nämlich immer!
So wie ich das sehe, wird die ewige Nummer 1 der Umzug eines, dadurch nun ehemaligen Freundes am Bodensee bleiben. Der hat sich sozusagen mit Karacho auf den 1. Platz der Liste katapultiert. Sein schon betagter Vater, den ich nicht kannte, und ich haben ihm am vereinbarten Umzugstermin aus dem Bett geklingelt und in der Wohnung war alles noch so, wie in den vielen Wochen zuvor. Es gab auch keine Umzugskisten und so besorgte ich im nahe gelegenen Norma Plastiktüten, in die wir dann beispielsweise seine Unterbuxen einpackten um sie aus dem vierten Stock in meinen Fiesta zu laden und in die neue Wohnung brachten. Das hätte ich noch irgendwie toleriert, da wir ja Freunde waren, dass er aber nicht mitmachte und erstmal Kaffe trinken und Frühstücken musste war dann doch der Tropfen, der dass Fass zum überlaufen brachte. Schlimm ist es dann aber, wenn man erkennen muss, dass die Erziehung, die man genossen hat, nicht dazu führt, einfach zu gehen, sondern dazu, dass man bis zum Ende mitmacht. Man hört ja nicht mittendrin auf.
Aus diesen Erfahrungen habe ich natürlich gelernt und unser letzter Umzug, von Leipzig nach Freiburg war, ohne Angeben zu wollen, eine Meisterleistung der Logistik. Und dies obwohl wir enorme Jäger und Sammler sind. In einer dreiviertel Stunde war die Wohnung in Leipzig besenrein und in genau der gleichen Zeit die Wohnung in Freiburg voll mit Umzugskisten. Dies war selbstverständlich nicht mein Verdienst, sondern der meiner Frau. Ich hoffe auf ähnliche Zustände bei dem nun bevorstehenden Umzug, auch wenn wir einen Monat Zeit haben, unseren Krempel in den Stühlinger zu kutschieren.