Völkerschlachtsdenkmal in meiner Oktober Kolumne im Frei(e) Bürger
Veröffentlicht am: Oktober 15, 2011
Ein fröhliches Aloha liebe Leser,
die letzten beiden Monate, während der Sommerpause, waren ja recht ereignisreich. So gab beispielsweise erstaunlich oft Besuch. Hier im Leipziger Exil war Carlo Pedersoli alias Bud Spencer, auch haben Neonazis versucht das Völkerschlachtdenkmal zu besuchen. In Freiburg war Papa Razzi, der Papst. Während der zuerst Genannte ohne größeren Aufwand die Stadt besuchte, waren die zuletzt aufgeführten Besuchergruppen doch relativ aufwendig und haben ordentlich Staub aufgewirbelt. Polizei, Verbote und Sicherheitsbedenken allerorten. Nazis und Päpste sind wohl ähnlich wie Herpes, keiner will ihn haben, aber es passiert trotzdem.
Leider war der Besuch von Bud Spencer derart unspektakulär, dass man ihn kaum erwähnen dürfte, wenn es nicht um Bud Spencer ginge. Es gab keine kräftigen Kinnhaken, keine Doppelohrschellen oder sonstige BangBoomBang-Aktionen, die mich als Kind so sehr begeisterten, nur eine gähnend langweilige Autogrammstunde. „Schade, wenn man mehr erwartet“, singt Wiebusch von Kettcar im Lied „Ausgetrunken“ und recht hat er.
Da ich, zumindest über den Papstbesuch in der zukünftigen Vergangenheit schreibe, bin ich an dieser Stelle auch sehr vorsichtig. Für mich ist es die Zukunft und für Sie, verehrte Leser, schon Vergangenheit. Dazwischen ist alles ziemlich schwammig und hochgradig komplex. Aus den „Zurück in die Zukunft“-Filmen hab ich zumindest eines gelernt: Die zukünftige Vergangenheit ist ein relativ fragiles Gebilde. Da muss man extrem vorsichtig sein, wegen des Konjunktivs und seinen Folgen oder so ähnlich. Wenn ich jetzt, nur so als Beispiel, schreiben würde, dass der Papa Razzi von einer, aus der russischen MIR heruntergefallenen, Toiletten-Apparatur erschlagen werden würde und dies dann tatsächlich passieren würde, hätte ich echt Angst vor mir und der MIR. Apropos MIR, über deren Zustand ist auch lange nichts mehr geschrieben worden. Nach wochenlanger Internet-Recherche hab ich erfahren, dass die MIR schon seit 2001 nicht mehr im All ist. Mist! Wieder was verpasst. Leider funktioniert das schöne Wortspiel mit „mir und MIR“ nicht mit ISS. Schade. Vergessen Sie es also, es geht schließlich um das Raum-Zeit-Kontinuum und der Angst vor evtl. vorhandenen prophetischen Fähigkeiten. Deshalb verkneife ich mir nun jeglichen Kommentar zum Papstbesuch und versuche Ihnen, verehrter Leser, die Intention meines Bildchens zu erklären.
Sie fragen nun zu Recht: Tiki-Männchen? Völkerschlachtdenkmal? Nazis raus? Was für eine äußerst wirre Konstruktion. In der letzten Ausgabe habe ich erwähnt, dass ich gerade viele nackige Tiki-Männchen auf Postkarten zeichne, aber die Begründung verschwiegen. Nun ein Erklärungsversuch zu meinen Tiki-Männchen:
Es gibt recht viele Erklärungsmodelle für Tiki-Kultur. Meine geht in Kurzform so. In den späten 50er war zwar der Wohlstand in die US-amerikanische Gesellschaft geschliddert, aber zu großen Fernreisen reichte das Kleingeld nicht aus. Hinzu kam der „Beitritt“ von Hawaii, der so ähnlich endete wie die Geschichte Badens. Die Südsee-Exotik faszinierte und ließ Raum zum Träumen. Bald gab es in fast jeder größeren Kleinstadt eine Tiki-Bar, in der exotischste Cocktails aus Tiki-Bechern geschlürft werden konnten. Lifestyle trifft auf aus Palmholz geschnitzte Holzköpfe.
So und nun zu meinem Bezug. Momentan sind Reisen, aufgrund der beständigen Arbeitslosigkeit, nicht mehr drin. So entsteht natürlich eine vorher nicht gekannte Sehnsucht nach exotischen Plätzen, von denen ich Postkarten an die Lieben senden kann. So kam ich auf die Idee selber welche zu zeichnen. Da ich auch eine Sehenswürdigkeit drauf haben wollte, kam ich schnell auf das Völkerschlachtdenkmal. Eine materialistische Ausgeburt von Großmachtfantasien. Schlimm. Und abstoßend hässlich ist das Ding, welches sich trotzdem hervorragend als Tiki-Tempel eignet. Für viele im Westen ist der Osten ja ein vollkommen unbekanntes Terrain. Was den Vorteil bietet, dass man per Postkarte ein Leipzigbild versenden kann, das nur jene überprüfen können, die zu Besuch kommen oder den MDR schauen. Die Tiki-Männchen-Serie ist wiederum ein Versuch dieses autoritäre Bauwerk, mit der mir eigenen unbeholfenen Form, lächerlich und unwirklich erscheinen zu lassen.
So und nun zum eigentlichen Thema. Ausgerechnet zwei Monate, nachdem ich mir dieses Motiv ausgesucht habe, kommen diese Drecks-Nazis auf die Idee dort zu demonstrieren. Was hier bestimmt mit einem wahren Aktionsgruppen-Feuerwerk verhindert worden wäre, wenn die Stadt nicht den Notstand ausgerufen hätte. Somit durfte niemand mehr demonstrieren. Die Begründungen hierfür waren übrigens so vielfältig, dass sie nicht unerwähnt bleiben können. Der „Umwelt, Ordnung, Sport“-Bürgermeister verwies auf die Einschulung, das Oldtimertreffen und das Highfield-Festival. Auch hätte es von anderen Bundesländern wegen des Spielbetriebes der Bundesliga, der Urlaubszeit, Stuttgart 21 und des Schanzenfestes in Hamburg keine Unterstützung von Außerhalb gegeben
. Jesses!
Es ist schon echt ein großer Aufwand, den „Artikel 8“ des Grundgesetzes derart elegant auszuhebeln. Da müssen schon die Hamburger und Stuttgarter mit ins Boot geholt werden. Demokratie und Rechtsstaat ist ein schwieriges Geschäft und Sätze wie „die Versammlungsfreiheit ist die Pressefreiheit des kleinen Mannes“
klingen dann irgendwie hohl und leer. Nichtsdestotrotz haben die Betreiber des Völkerschlachtdenkmals mit diesem Transparent ein Zeichen gesetzt. Keine Fußbreit den Faschisten und Nazis raus!
Wenn Neonazis am 22. Oktober 2011 in Offenburg aufmarschieren wollen ist bestimmt ein Straßenfest, ein Fußballspiel und irgendwer hat auch Urlaub in Freiburg.