Nuklear Medizinische Abenteuer in meiner Kolumne für den Mai
Veröffentlicht am: Mai 10, 2017
Ein fröhliches Aloha liebe Leser,
bin ich froh, dass der Monat April hinter mir liegt. Der hatte es echt in sich und vom Wetter will ich gar nicht erst anfangen. Für mich waren der 7. und der 10. April die lang ersehnten „Ergebnis-Tage“. Zum einen stand die Untersuchung meiner Schilddrüse an und zum andern das Ergebnis aus meiner Knochenmarkanalyse. Aber der Reihe nach. In der Woche vor der Schilddrüsenuntersuchung in der Klinik für Nuklearmedizin, schwankte ich emotional zwischen Katastrophenstimmung und Euphorie. Irgendwie glaubte ein Teil von mir nicht, dass bei dieser Untersuchung etwas Positives rauskommen könnte. Der andere Teil war voller Sensationslust, da so viele Superhelden und Superschurken, die mich seit meiner Jugend begleiten, durch Radioaktivität zu dem wurden, was sie in den Comic-Heften nun mal sind. In dieser Gefühlslage fieberte ich also dem Termin entgegen. Dort war dann alles recht unspektakulär. An der Anmeldung saß eine Dame, die ich schon von der Anmeldung zum „Chemo-Stuhlkreis“ kannte. Dies wurde in meinem Kopf sofort als böses Omen gewertet und ich war gar nicht mehr so wild darauf zu wissen, was dieser Knoten in der Schilddrüse eigentlich macht. Das Warten vor solchen Untersuchungen ist immer das Schlimmste. Viel schlimmer als Männerschnupfen. Eigentlich bin ich enorm schlecht im Warten und Aushalten.
Seitdem ich aber viel auf Ärzte warten muss, hab ich mir ein neues Hobby zugelegt. Ich suche, nach sich wiedersprechenden Storys über Prominente in den Arztpraxenzeitschriften und weise den Lesern nach mir, per Klebezettel darauf hin. Damit kann man sich schon ein paar Stunden die Zeit vertreiben. Als ich da so wartete und das Goldene Blatt mit der Neuen Post und diese, mit der Echo der Frau verglich, wurde ich immer unruhiger und war froh, dass ich nach eineinhalb Stunden endlich dran kam. Die Ärztin war nett und klärte mich erst mal gründlich über die verwendete Radioaktivität und Warme- wie Kalte Knoten in der Schilddrüse auf. Leider ist es ja bei mir immer so, wenn ich Schlüsselworte wie „Radioaktivität“ höre, geht mein Verstand auf Reisen. Was ich mir merken konnte, ist, die warmen Knoten sind die Besseren, die kalten Knoten sind die Bösen.
Nach dieser Aufklärung bekam ich wieder einen Ultraschall und meine Ärztin entdeckte einen zweiten Knoten auf der anderen Schilddrüse. Auch teilte sie mir mit, dass der eine Knoten schon seit Oktober letzten Jahres entdeckt worden war. WHAT? Das hat mir niemand gesagt! Nach dem Schock schickte sie mich zu einer anderen Ärztin, die mir Radioaktivität in die Vene spritzte. Wie sie sich vorstellen können, hat ein Teil von mir natürlich gehofft, dass ich zumindest eine Einverständniserklärung vor evtl. Veränderungen und Folgeschäden mit Superkräften unterschreiben muss. Pustekuchen. Daran hatten die gar nicht gedacht und ich hab mich nicht getraut danach zu fragen. Wenn man das Mal vergleicht, Spider-Man wurde von einer klitzekleinen radioaktiven Spinne gebissen und ich hab Radioaktivität direkt in den Blutkreislauf gespritzt bekommen. Da schoß meine Erwartungshaltung in unermessliche Höhen. Sofort dachte ich an all die coolen Dinge, die ich, mit der nun bestimmt folgenden Veränderung in mir, anstellen könnte. Was wenn ich sensiblere Sinne bekomme wie „Daredevil“, oder die proportionale Kraft von irgendwas wie „Spider-Man“? Gut, ich könnte auch werden wie „Dr. Manhattan“ und müsste dann die ganze Zeit nackend rumlaufen und blau leuchten. Meine Fantasie ging mit mir durch und ich konnte es kaum abwarten die Kräfte des Atoms zu erleben. Aber als die Radioaktivität dann in mir war, spürte ich … nichts! Keine Veränderung, keine Muskelzuwächse und auch keine Supersinne. Einfach Nichts.
Nach zwanzig Minuten musste ich mich an eine Kamera platzieren, die eher wie eine Strahlenkanone aussah und dann gab es auch schon das Bild, das sie in der Illustration sehen. Hübsch eigentlich, aber leider ist das ein kalter Knoten. Und bei kalten Knoten muss man eine Schilddrüsen-Punktion machen, da es durchaus sein kann, dass es ein Tumor ist. Gut oder Böse ist hier die Frage.
Punktionen sind ja nie sonderlich angenehm. Die Enttäuschungen des Tages waren ja schon sehr erschütternd, aber wenigstens die Punktion erfüllte meine Erwartungshaltung und tat mir ordentlich weh. Im anschließenden Gespräch mit der sehr netten Ärztin wurde ich darauf hingewiesen, dass durch mein Alter die Schildrüßenkrebswahrscheinlichkeit von 4% auf 25% – 35% gestiegen ist. Aber ich solle mir keine Gedanken machen, am Dienstag würde sie mir die Ergebnisse mitteilen bis dahin wünschte Sie mir ein schönes Wochenende.
Das kam mir echt verdammt nochmal sehr bekannt vor. Bescheid geben ist nicht die Paradedisziplin, die ich von der Uniklinik kenne. Etwas geplättet bin ich also nach Hause gewackelt und musste auf halber Strecke plötzlich bitterlich weinen. Ich hatte ein so schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache, dass sich die Schleusen einfach öffneten. Bisher war ich mir sicher, dass der Blitz nur einmal einschlägt, diese Sicherheit löste sich schlagartig in Luft auf. Einen Krebs haben ist ja schon echt Scheiße, aber was, wenn ich nun einen Zweiten hätte? Und überhaupt seit wann gehen Zweifrontenkriege gut aus?
Die Dramatik stieg noch, da am Montag die Antikörpergabe und davor das Arztgespräch über die Knochenmarkanalyse terminiert war. Der Arzt meinte ja beim letzen Mal, es gäbe zwei Möglichkeiten, entweder das B-Lymphom ist zurück, oder aber die Chemo hat mein Immunsystem nachhaltig zerschossen. Also Pest oder Cholera.
Liebe Leser, Sie können sich vorstellen was passiert, wenn das Gehirn Achterbahn fährt und sich, nachdem es Monate lang alles verdrängt hat, ein ganzes Wochenende nur zwischen Hoffen und Bangen bewegt. Dementsprechend gelaunt bin ich am Montag dann in die Uniklinik. Und so saß ich also vor meinem Onkologen und erwartete die Hiobsbotschaft. Die kam aber nicht.
Irgendwie scheint alles ganz gut zu gehen, sagt mein Knochenmark. Das Lymphom ist so klein mit Hut, meine Blutwerte steigen und im Knochenmark sieht man wohl noch mehr von meinen Abwehrzellen, die nun kommen würden, meine Schilddrüse ist tumorfrei und wo wir schon mal dabei sind, bekomm ich auch keine Antikörper mehr. Ach ja, das Antibiotika und das Antivirenzeug muss ich auch nicht mehr nehmen. Auch muss ich erst wieder im Juli zur Kontrolle und zum Ultraschall in die Klinik.
Juchhhhuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu!!! Da fällt nicht nur mir ein Stein vom Herzen.
So wie es aussieht, bin ich erstmal mit dem Krebsscheiss fertig und kann den Frühling und Sommer genießen.