Nicht geschäftsfähig
Veröffentlicht am: Oktober 13, 2007
Sie als Leser sind es wahrscheinlich schon gewohnt, dass der Herr Rock sich als Geschäftsuntüchtig outet.
Mich hingegen erschüttert es jedes Mal in Mark & Bein. Dieses Mal hat mich eine Gruppe von Behinderten über den Tisch gezogen. Und die konnten wahrscheinlich noch nicht mal was dafür.
Am Mittwoch bin ich aus mir immer noch nicht ganz ersichtlichen Gründen auf der Muswiese. Diese kann man leider nicht beschreiben und so versuche ich es mit einer Umschreibung. . Mitten im nirgendwo gibt es ein Kaff, das sich Musdorf nennt… Sie ahnen schon die Verbindung zum Namen des ‚Events‘… Seit Jahrhunderten treffen sich die Bauern, Bäuerinnen und solche die es werden wollen für fast eine Woche in diesem Kaff, am Ende der Welt. Da Hohenlohe eine recht ländliche Region ist haben die Ureinwohner dieser Tatsache mit diesem Freilandkaufhaus Rechnung getragen und alles mit zweifelhaften Traditionen (Metzgerstanz, Ledigentag etc.) belegt. Irgendwo auf der Welt muss es die Oma-Schürzen zu kaufen geben, irgendwo muss der Opa seine Cordhose her haben…. Genau hier ist der Ort wo all dies zu erwerben ist. Und noch viel mehr. Traktoren, Gemüsereiben, Hosenträger, dicke Socken und eben auch Besen.
Nun zu meiner Geschäftsuntüchtigkeit.
Auf der oben erwähnten Muswiese gibt es einen Stand eines über jeden Zweifel erhabenen Stiftes, in dem Behinderte Ihre handgemachten Besen feilbieten. Davor saß bisher immer einer mit Down-Syndrom, der an einem Besen arbeitet. Hinter ihm war ein Schild, auf dem folgendes zu lesen stand: „Sie können unseren Behinderten ruhig ansprechen.“ Dieser war in diesem Jahr nicht da, dafür aber eine fast blinde Verkäuferin. Da ich diese Einrichtung eigentlich ganz gut finde wollte ich nur die neusten Besenmodellen betrachten. „Ich schaun nur mal“. Wollen wollte ich eigentlich keinen Besen.
Teleskopstäbe hatten schon in meiner Jugend eine Wahnsinns Anziehungskraft auf mich ausgeübt. Und so fragte ich ob sie den Besen mitsamt Stange, der da ca. 6 Meter über Ihrem Stand im Wind sich wog zu kaufen gäbe. Sofort ist die Verkäuferin mit einem andern Down-Syndromer in den Wagen gehechtet, zwei andere haben mich beraten, wobei der eine mich in keinster Weise gehört haben kann und ich den anderen nicht mal im Ansatz verstehen konnte. Die Verkäuferin tat sich in ihrem Wagen schmerzhaft weh und suchte und suchte. Gefühlte 10 Minuten später mit schmerzverzerrtem Gesicht kam sie wieder voller Stolz mit einer Teleskopstange aus dem Wagen heraus.
Als ich dann nach dem Preis fragte, sagte sie 30 € für den Besen und 30 € für die Stange. Spätestens hier hätte ich austeigen müssen, aber irgendwie konnte ich nicht mehr zurück. Irgendwie bin aus der Geschichte nicht mehr raus gekommen. Nachdem sich alle Behinderten an diesem Stand nur um mich gekümmert hatten, die Verkäuferin sich sogar noch weh getan hat und ich den einen immer noch nicht verstand kaufte ich den teuersten Besen und die teuerste Teleskopstange meines Lebens.
Erschwerend kommt hinzu, dass ich noch nicht einmal die seltsame Befriedigung eintrat, die man beim Einkaufen in dieser Preislage sonst verspürt.
Hohenlohe Braunsbach Crailsheim Schwäbisch Hall muswiese rot am see
Mitlerweile sehe ich den Besen als Spende mit Geschenk. Und dadurch stellt sich auch das Wohlbefinden ein, etwas gutes getan zu haben.
Tja, sich auf der Muswiese nach einem Besen erkundigen…
Ich finde, Du hast ein feines Werk getan. Hätte ich auch gemacht. Spätestens, als die Verkäuferin sich weh getan hat! Nun? Hat sich etwas Befriedigung eingestellt?