Depression leichtgemacht oder „In einem Meer des Lächelns zu weinen“
Veröffentlicht am: Dezember 16, 2006
Willkommen Freunde des gepflegten Geschmackes, heute möchte ich alles daran setzen den, wie es scheint beginnenden Frühling, ( oder Wahlweise die Weihnachtsfrohlockungen) würdig zu begrüßen.
(mir ist durchaus klar, das dies nur eine Kopie meines Beitrags vom Januar ist, aber es drängt sich gerade auf und die Umstände sind nun mal so.)
Einer geschmeidigen Depression freien lauf zu lassen gehört, wie ich finde unweigerlich zu dieser Zeit dazu. Da niemand, wirklich niemand mag auch nur ansatzweise der liebevoll gepflegten Depression den Stellenwert einräumen will, den sie verdient.
Die gängige Meinung in Großdeutschland ist nun mal so besetzt, dass wenn sich Sonnenschein auch nur ankündigt, jeder Volldepp glaubt er hätte eine Ausbildung im Circus Roncalli genossen.
Und genau deshalb finden Sie an dieser Stelle eine kleine Anleitung zur Depression.
Die Vorbereitung:
Zur Unterstützung würde ich mir alte Bekannte eingeladen, vielleicht wie ich:
Zu meiner rechten steht mein treuer Begleiter Glanmorangie (seineszeichen mehrfach ausgezeichneter Single Highland Malt Whisky); zu meiner linken mehr Fluppen als die Vietnamesische Zigarettenmafia in Berlin besitzt.
Zur Einstimmung und zur Dämpfung des Gemütes trällert Tom Waits seine Weisen im Hintergrund.
Wie wichtig diese Vorbereitungen sind lässt sich
gar nicht überschätzen.
Zur Ergänzung lässt sich nebenher auch noch das Televisionsgerät nutzen. Es versteht sich natürlich von selbst, nur geeignete Sender einzuschalten. Also nur solche die von der Sendestruktur schon darauf ausgelegt sind jegliche Intelligenz zu beleidigen.
Weiterhin hilfreich, ach was sage ich zwingend, ist es das Tageslicht zu verbannen. Denn nur wirklich geübte Depressive schaffen es auch dann, wenn die Sonne scheint.
Ziel ist es ja, das zu erreichen was wahre Depressionskünstler auszeichnet:
„In einem Meer des Lächelns zu weinen“?
Ich schweife ab, dies ist ein Anfängerkurs, die evtl. vorhandene Begabung stellt sich erst nach dem Gesellenstück heraus.
Nicht minder wichtig, wenn auch etwas komplizierter ist das ausschalten des Kommunikationsgerätes und das darauf folgende brechen mit dem Kontakt in die Außenwelt.
Am Anfang, wenn man sich noch ein bisschen schwer tut, den Weltschmerz auf seine schmalen Schultern zu stemmen, sollte dieses auf alle Fälle abgeschaltet sein.
Denn wie viele wirklich gute, im wachsen begriffene Depressionen sind durch einen Anruf
von Hippie-Heide im Keim erstickt worden.
Wut und Zorn sind zwar hilfreich, aber zuviel davon ist eher kontraproduktiv.
Die Depression:
Nun kommen wir zur Königsdisziplin. Leider ist das erreichen einer wirklich guten Depression nicht gerade ein Zuckerschlecken. Das wichtigste ist ausreichend und ausdauerndes Training.
Vielleicht hilft es auch wenn Ihr im Vorfeld eure Jugendfreunde besuchet, 4 Tage nicht schlaft und dann den/die Ex besucht etc.. Manchem hilft auch ein Besuch im örtlichen Jugendclub oder einer Diskothek.
Dabei ist peinlich darauf zu Achten sich nur hübsche und junge Körper anzusehen, die extrem viel Freude an ihrer Jugend haben.
Der schwierigste Part besteht allerdings darin die Welt als Jammertal zu sehen, und in nichts einen Sinn zu sehen, ohne in Selbstmitleid zu versinken.
Fragen eher philosophischer Natur wie: „Warum müssen die armen Afrikanischen Kinder alle sterben, was ist das nur für ein Gott?“, oder „Warum haben wir Glücksgefühle, wenn wir kurz darauf vom Leben verarscht werden?“, wirken Wunder. Oder „Was für einen Sinn hat das Leben für die im Universum unbedeutende Ameise Mensch?“. Sehr gut ist das „Große Ganze“ in Frage zu stellen, die Grundsicherheiten (Liebe, Vertrauen, Sinn) und die Gesellschaftlichen Strukturen (Kapitalismus, Glaube, Kultur).
Ist das alles nicht wunderbar bröckelig?
Das gute daran ist, dass niemand daran was ändern kann.
Wenn aber das Anfangstadium überwunden ist muß man der Außenwelt genau damit den Spaß am Leben nehmen, indem man sein Innerstes offenbart. Als erstes sind Hippie-Heide und Konsorten anzurufen, wenn diese es wie üblich karmisch nicht selbst „spüren“ wie dreckig es einem geht.
Ich wünsche euch und euren Mitmenschen viel Freude an der gepflegten Depression.
So jetzt begrabe ich noch mein Hirn an der Biegung des Flusses und befolge meinen Rat.
That’s all Folks.
„ES GIBT KEIN RICHTIGES LEBEN IM
FALSCHEN“
(Th. W. Adorno, Minima Moralia)
