Alte Kamellen

Veröffentlicht am: Januar 6, 2006

Willkommen Freunde des gepflegten Geschmackes,
heute möchte ich alles daran setzen den Frühling
dieses Jahr würdig zu begrüßen. Einer geschmeidigen
Depression freien lauf zu lassen gehört, wie ich
finde unweigerlich dazu.
Schon allein der Blick nach vorn in einen neuen
verheerenden Sommer zwingt einen unweigerlich
dazu. Und genau deshalb findet Ihr an dieser Stelle
eine kleine Anleitung dazu.
Die Vorbereitung:
Zur Unterstützung würde ich mir alte Bekannte eingeladen,
zu meiner rechten steht
mein treuer Begleiter Glanmorangie
(seineszeichen mehrfach ausgezeichneter
Single Highland Malt
Whisky); zu meiner linken mehr
Fluppen als die Vietnamesische
Zigarettenmafia in Berlin. Zur Einstimmung und zur
Dämpfung des Gemütes trällert Tom Waits seine
Weisen im Hintergrund.
Wie wichtig diese Vorbereitungen sind lässt sich
gar nicht unterschätzen. Zur Ergänzung lässt sich
nebenher auch noch das Televisionsgerät nutzen.
Es versteht sich natürlich von selbst, nur geeignete
Sender einzuschalten. Also nur solche die von der
Sendestruktur schon darauf ausgelegt sind jedliche
Intelligenz zu beleidigen. Weiterhin hilfreich, ach
was sage ich zwingend, ist es das Tageslicht zu verbannen.
Denn nur wirklich geübte Depressive schaffen
es auch dann, wenn die Sonne scheint. Leider
ist die gängige Meinung in Großdeutschland aber
so besetzt, dass wenn Sonnenschein sich auch nur
ankündigt, jeder Volldepp glaubt er hätte eine Ausbildung
im Circus Roncalli genossen. Und niemand,
wirklich niemand auch nur ansatzweise der liebevoll
gepflegten Depression glauben schenken mag.
Aber ist es nicht genau dass was wahre Depressionskünstler
auszeichnet:
„In einem Meer des Lächelns zu weinen“?
Ich schweife ab, dies ist ein Anfängerkurs, die evtl.
vorhandene Begabung stellt sich erst nach dem Gesellenstück
heraus.
Nicht minder wichtig, wenn auch etwas komplizierter
ist das Kommunikationsgerät in die Außenwelt.
Am Anfang, wenn man sich noch ein bisschen
schwer tut, den Weltschmerz auf seine schmalen
Schultern zu stemmen, sollte dieses auf alle Fälle
abgeschaltet sein. Denn wie viele wirklich gute, ausgewachsene
Depressionen sind durch einen Anruf
von Hippie-Heidi im Keim erstickt worden. Wut und
Zorn ist zwar hilfreich, aber zuviel davon ist eher
kontraproduktiv. Wenn aber das Anfangstadium
überwunden ist muß man der Außenwelt den Spaß
am Leben nehmen, indem man sein Innerstes offenbart.
Und dann als erstes Hippie-Heidi und Konsorten
anrufen, wenn diese es wie üblich karmisch
nicht selbst „spüren“.
Die Depression:
Nun kommen wir zur Königsdisziplin. Leider ist das
erreichen einer wirklich guten Depression nicht
gerade ein Zuckerschlecken und funktioniert bei
jedem anders. Das wichtigste ist ausreichend und
ausdauerndes Training.
Vielleicht hilft es auch wenn Ihr im Vorfeld
eure Eltern besuchet, 4 Tage nicht
schlaft und dann den/die Ex besucht
etc.. Manchem hilft auch ein Besuch
im örtlichen Jugendclub oder Diskothek.
Dabei ist peinlich darauf zu Achten sich nur
hübsche und junge Körper anzusehen, die extrem
viel Freude an ihrer Jugend haben.
Der schwierigste Part besteht allerdings darin die
Welt als Jammertal zu sehen, und in nichts einen
Sinn zu sehen, ohne in Selbstmitleid zu versinken.
Fragen eher philosophischer Natur wie: „Warum
müssen die armen Afrikanischen Kinder alle sterben,
was ist das nur für ein Gott?“, oder „Warum
haben wir Glücksgefühle, wenn wir kurz darauf
vom Leben verarscht werden?, wirken Wunder.
Oder „Was für einen Sinn hat das Leben für die im
Universum unbedeutende Ameise Mensch?“. Sehr
gut ist das „Große Ganze“ in Frage zu stellen, die
Grundsicherheiten (Liebe, Vertrauen, Sinn) und die
Gesellschaftlichen Strukturen (Kapitalismus, Glaube,
Kultur).
Ist das alles nicht wunderbar bröckelig?
Das gute daran ist, dass niemand daran was ändern
kann.
Ich wünsche euch und euren Mitmenschen viel
Freude an der gepflegten Depression.
Wie man wieder aussteigt, kann ich momentan leider
nicht verraten. Nur soviel ist klar meist passiert
dies völlig ungewollt.
So jetzt begrabe ich noch mein Hirn an der Biegung
des Flusses und befolge meinen Rat.
That’s all Folks.
„ES GIBT KEIN
RICHTIGES LEBEN IM
FALSCHEN“



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