Adieu Leipzig in meiner neuen Kolumne August/September

Veröffentlicht am: Oktober 2, 2014

Ein fröhliches Aloha liebe Leser,
es ist soweit, schweren Herzens verlasse ich das Exil und ziehe zurück nach Freiburg. 
Leipzig ist entgegen meiner Erwartung so was wie Heimat geworden. Vor vier Jahren kam ich vom extrem langweiligen Bodensee arbeitslos, aber der Liebe wegen, nach Leipzig. Mein Schwarzwaldmädel hatte in Halle einen Studienplatz bekommen und ich zog ihr hinterher. Ich weiß nicht, ob Sie Halle kennen, aber Halle hat so ziemlich alles was man nicht braucht. Halle ist wie Heilbronn. Es wurde, wie für Heilbronn, schon ein Wetter danach benannt. Wenn es so richtig unselig und ungemütlich ist, spricht man von Heilbronner Wetter. Von Hallenser Wetter spricht man, wenn es scheint, als ob die Welt untergehen würde. Halle war also indiskutabel und klar fiel die Wahl auf Leipzig, was nur ein paar Kilometer vom blöden Halle weg liegt. 
Lange habe ich mich geweigert und auchein bisschen gesträubt, aber nach und nach entdeckte ich den Ossi in mir und wurde tatsächlich irgendwie sesshaft. In der ersten Phase meiner vierjährigen Liaison kam mir Freiburg immer wie das geheiligte Land vor. Des Rock’nRoll-Gottes eigenes Jerusalem. Hier gibt beispielsweise leider kaum Konzerte, auf die es sich zu gehen lohnen würde. Klar gibt es viele Läden mit Livemusik, aber für Grind- & Crustcore bin ich zu alt und für Singer/Songwriter zu jung. Techno, wie ich alle elektronische Musik nenne, geht für mich auch gar nicht. So starrte ich immer wieder auf die Konzert-Newsletter aus Freiburg und manchmal musste ich deswegen auch weinen. Aber abgesehen von der Konzertlandschaft ist Leipzig echt toll und im Gegensatz zu Freiburg so schön unfertig. Überall waren runtergerockte, halb verfallene Gründerzeithäuser, das es eine Freude war die Stadt zu entdecken. Die Arbeitslosigkeit brachte zu Glück auch viel Zeit hierfür mit sich. (Sieben Monate waren aber dann doch eine schwere Prüfung für mich und ich fand zum Glück den für mich besten Arbeitgeber bisher). Auch wenn sie es kaum glauben werden, ist Wohnraum in Leipzig das kleinste Problem. Erst neulich habe ich auf der Herrentoilette eine Werbung gesehen, in der man eine Waschmaschine geschenkt bekommt, wenn man bei dem Anbieter Mieter werden würde. Auch ist es hier nicht üblich, als Mieter auch nur einen Cent an einen Makler zu zahlen. Man findet hier, trotz der Unkenrufe der Leipziger, eine bezahlbare Wohnung, die fünf palästinensische Familien gut Platz bieten würde, und hat am Monatsende trotzdem noch Geld übrig. Vorausgesetzt man findet Arbeit. 
Vor vier Jahren habe ich Angebote gesehen, bei denen man eine bestimmte Zeit mietfrei wohnen kann, wenn man einen einjährigen Mietvertrag unterschreibt. Hinzu kam, das man hier kann man hier noch ein Ladengeschäft für sehr kleines Geld aufmachen, und beinahe risikolos seine Geschäftsidee ausprobieren. Auch dadurch wirkt Leipzig auch so herrlich lebendig und undogmatisch. So gibt es nach wie mitten in der Stadt charmante Brachflächen, auf denen offen Gärten entstehen. Ich durfte bei der Entstehung einer dieser Garteninitiativen dabei sein und war begeistert, wie inmitten der Stadt eine Oase mit Kultur, Pflanzen und Liebe entstand. Auch wenn sich nun manches rapide verändert, herrscht dennoch der Charme abbröckelnderen Fassaden. Zu den ganzen Häusern und Möglichkeiten haben es mir aber auch die Menschen angetan. Diese Sachsen sind aber auch ein freundliches Völkchen. Hin und wieder reagieren sie zwar gereizt, wenn man sie auf Themen wie Stasi, Wende und die durch zu wenige Migranten entstandene fehlende Vielfalt an Dönerbuden anspricht, aber eigentlich macht man das ja nur um sie zu ärgern.
 Umzug-nach-Freiburg
Zum ersten Mal hatte das Gefühl endlich mal zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Auf meiner Checkliste von Dingen, die ich angestellt habe, sind so schöne Sachen wie der zweite Platz beim Badewannenrennen, ein erotisches Sommerkonzert im Autonomenmekka Connewitz bei dem alle Besucher durch die Prisoners of Freedom verstört wurden. Hier habe ich den schlechtesten, aber trotzdem erfolgreichen,  Heiratsantrag der Geschichte formuliert, war Teil eines dreiköpfigen Komitees, mit dem wir unseren Ersten eigenen eigene Kunst und Kreativ-Straßenfestmarkt mit dem schönen Namen sonderpOSTen veranstalteten. Ach, ich durfte bei so vielen Feinen Sachen mitspielen, die stadtweit Bedeutung hatten, dass es eine Freude war. 
Wie dem auch sei, meine Zeit hier ist vorüber. So ein Umzug hat ja auch den großen Vorteil, dass man alles auf null stellt und sich selbst aufräumen kann. Nur so kann man verhindern, dass man eingefahren wird. Alles kommt auf den Prüfstand und was nicht passt, wird rausgeschmissen, um Platz für Neues zu machen. Das wir irgendwann wieder in den badischen Schoß der Gemütlichkeit zurückkommen war schon immer irgendwie klar. Dass dies aber nur deshalb so schnell geht hätte ich nicht gedacht.  Durch Zufall bekamen wir eine bezahlbare Wohnung in Freiburg, da Freunde von dort nach Hamburg gezogen sind. Das werteten wir als Zeichen, vor allem, weil wir noch nicht einmal eine Wohnung gesucht hatten. Ausserdem bekommt man in ein Schwarzwaldmädel einfach keine Großstadt. Da fehlt hier das Glottertal, dann dort der Rosskopf und hin und wieder die Münsterwurst. Für jemanden wie mich, der schon so viel umgezogen ist, kommt Heimweh in meinem sehr spärlichen Gefühls-Repertoire einfach nicht vor. Leider habe ich dadurch auch das Gefühl, wurzellos zu sein. Vielleicht schaffe ich es dieses Mal, wurzeln zu schlagen. Letztendlich fehlte es uns beiden aber eure Konzertkultur.
Eines bleibt allerdings gleich, wie schon beim Umzug hierher. Ich werde voraussichtlich arbeitslos und der Liebe wegen wieder nach Freibug ziehen. Was nach wie vor der beste aller Gründe ist etwas aufzugeben. 
Nun bin ich gespannt wie ein Flitzebogen, was mit mir so alles passiert. Mein Mädchen wird Schreiner. Yes! Endlich bekomme ich Möbel, die wir selbst entwerfen. Ich habe große Lust Freiburg neu zu entdecken und freu mich. Auch für diese kleine Kolumne. Nun kann ich die Freiburgthemen unmittelbarer und direkter aufgreifen und die absurden Ereignisse direkt verwursten. 
Nun muss noch ein neuer Name für meine Kolumne gefunden werden. „Betrachtungen aus dem Exil“ sind vorbei und was Neues muss her. Falls Sie geehrter Leser einen Vorschlag haben, können Sie mit gerne unter 1234rock@gmail.com  mailen. 


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